Geschichten aus dem Alltag eines Anwalts

Sprafke's Blog

Right trough the heart!

Man erlebt es selten in dieser Deutlichkeit: Ein Beschluß des OLG Karlsruhe dürfte dem zuständigen Landrichter das Wochenende verhageln.

Der wohnsitzlose, betäubungsmittel- und alkoholabhängige Mandant sitzt seit geraumer Zeit in Untersuchungshaft. Das Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Amtsgerichts (1 Jahr 6 Monate) konnte zunächst nicht beschleunigt durchgeführt werden, da zunächst das OLG über den abgelehnten Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hatte, wegen angeblicher Säumnis der Berufungseinlegungsfrist. Die Berufung war rechtzeitig eingelegt.

Als Verteidiger stellte ich den Antrag, den Haftbefehl aufzuheben, da mittlerweile nur noch ca. 11 Monate (Endstrafe) zur Vollstreckung übrig geblieben wären und alleine die zu gegenwärtigende Freiheitsstrafe einen natürlichen Fluchtanreiz nicht zu begründen geeignet ist. Der Mandant kümmerte sich mittlerweile erfolgreich um einen Therapieplatz, sodaß die Anwendung von § 35 BtMG abzusehen war.

Die Berufungskammer folgte im Ergebnis meinem Antrag nicht, sondern ordnete Mitte Februar 2015 die Außervollzugsetzung des Haftbefehls zum 02.03.2015, dem Beginn der Therapie, an. Gegen diesen Beschluss legte ich Beschwerde ein mit der Begründung, der Haftbefehl sei aufzuheben.

Zu meiner Verwunderung half der Vorsitzende der Berufungskammer meiner Beschwerde ab und hob den nur wenige Tage alten Außervollzugsetzungsbeschluß aus seiner eigenen Feder wieder auf und ordnete Haftfortdauer an. Zur Begründung teilte der Vorsitzende mit, daß bereits aus der Einlegung der Beschwerde zu folgern sei, daß der Mandant kein Interesse mehr an einer Therapie habe und er deshalb inhaftiert bleiben müsse.

Die dagegen gerichtete Beschwerde zum OLG hatte nun Erfolg. Die Begründung des OLG gebe ich auszugsweise wieder:

Diese Entscheidung (Haftfortdauer) war schon deshalb aufzuheben, weil die Begründung der Strafkammer, allein aus der Einhegung des Rechtsmittels ergebe sich die fehlende Bereitschaft des Angeklagten zum Antritt der ihm auferlegten Aufnahme einer Suchtentwöhnungsbehandlung, nicht ansatzweise nachvollziehbar ist und auf ein… Achtung! Jetzt kommts: …rechtsfehlerhaftes Verständnis des bundesdeutschen Rechtsmittelsystems hindeutet. Es ist nämlich das verfassungsrechtlich verbürgte Recht eines jeden Angeklagten, auch bei einer erfolgten Außervollzugsetzung eines Haftbefehls die eigentliche Haftgrundlage durch Erhebung einer Haftbeschwerde in Frage zu stellen, weshalb die bloße Wahrnehmung dieses Rechts nicht zu seinem Nachteil gereichen darf.

Mit diesem Eintrag ins Klassenbuch des Vorsitzenden der Berufungskammer wünsche ich den Lesern meines Blogs ein schönes Wochenende.