Geschichten aus dem Alltag eines Anwalts

Sprafke's Blog

Den Rufen der Unken zum Trotz – OLG Karlsruhe bestätigt Auskunftsverweigerungsrecht

Die Unke. Auch Feuerkröte genannt, ist eine Gattung von Froschlurchen. Die Rufe dieser kleinen Tierchen werden im deutschen Sprachgebrauch dann bemüht, wenn sich eine Person – ohne genauere Prüfung oder Kenntnis des Hintergrunds einer Frage – bemüßigt sieht, die klare Antwort auf diese bereits zu kennen. Er wird dann retrospektiv zur Unke, wenn das schon sicher geglaubte Ergebnis nicht eintritt.

In diesem Beitrag gibt es zwei Unken aus der Gattung von Froschlurchen. Zum einen den ehemaligen Verteidiger eines Angeklagten. Zum anderen aber ist es mein Lieblingsstaatsanwalt von meiner Lieblingsstaatsanwaltschaft (Ironie wieder aus).

Ein junger Mann wurde unter Begleitung eines Rechtsanwalts wegen Handeltreibens mit 280 Gramm Marihuana zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (mit Bewährung) verurteilt.  By the way: das passiert entweder nur im tiefsten Bayern oder eben in Baden-Baden. Nicht nur geographisch ein enklavenhaftes Sondergebilde, weit weg von Vernunft und Tugend.

Nach Rechtskraft dieses Urteils wurde der Verurteilte zum Gift-Staatsanwalt vorgeladen und sollte jetzt angeben, wer denn sein Verkäufer war. Nach Einholung von Rat beim alten Verteidiger schien der Fall klar. Es hieß: gehe hin und gestehe! Du hast doch kein Auskunftsverweigerungsrecht mehr.

Der junge Mann ließ sich aber glücklicherweise von der ersten Unke nicht beeindrucken und holte diese Mal nicht nur Rat sondern Rechtsrat ein. Nach Prüfung der Urteile, der Verfahrensakte und der Protokolle zweier Hauptverhandlungen in zwei Instanzen riet ich dem jungen Mann, er solle schweigen. Und daß ihm das dann etwas leichter fiele, begleitete ich ihn zum Staatsanwalt. Der junge Mann schwieg und die zweite Unke verwandelte sich – ohne geküßt zu werden – in ein modernes Rumpelstilzchen und nicht in einen Prinzen. Rumpelstilzchen deshalb, da er völlig schamlos versuchte, den jungen Mann von der Inkompetenz meiner Person als Zeugenbeistand zu überzeugen. Er malte dunkle, schattenvolle Bilder an die Wand. Man konnte das feucht-modrige Klima des kalten Kerkers förmlich riechen, als der Staatsanwalt sodann Ordnungshaft beantragte und diese auch vom zuständigen Ermittlungsrichter beschlossen wurde.

Das hier zuständige Oberlandesgericht Karlsruhe sah es – mal wieder – anders als die Justiz in Baden-Baden und hob den Beschluß auf. Es waren Feinheiten im Urteil und in der Argumentation, die dazu führten, daß dem Verurteilten aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zugemutet werden konnte, sich selbst durch eine erzwungene Aussage der Unke, einer erneuten Strafverfolgung auszusetzen. Mal wieder eine Grundsatzentscheidung. Eine der wenigen, auf diesem Gebiet, die ich für den jungen Mann erstreiten konnte (Hier gibts die Entscheidung als pdf).

Die Unken hätten es wissen müssen, daß Märchen allermeistens von einem frohen Ende beseelt sind.